Mittwoch, 30. September 2015

Willkommen in der Sackgasse

Vor sich sieht sie Feuer. Ein paar Stücke Holz, aus irgendwelchen Möbeln herausgebrochen, die mit lodernden Flammen zu leuchtender Glut herabbrennen. Die Hitze schlägt ihr ins Gesicht und treibt ihr Schweiß auf die Stirn. Jenna sitzt vor der Feuerstelle in der Mitte des Wohnzimmers, denn im Rest des Hauses ist es kalt, zu kalt. Ende November plagt das Wetter die Bewohner der Kleinstadt schon mit Minusgraden. In der Küche ist das Fenster eingeschlagen und in mindestens 3 anderen Zimmern des Hauses sind die Fenster undicht. Die anderen Zimmer erfüllen eigentlich keine Funktion mehr. Das Bett steht direkt vor dem schwarzen Loch im Boden, das als Feuerstelle dient. Jenna hatte das Feuer immer in der Küche gemacht, doch nachdem dort eingebrochen wurde, weswegen die Scheibe zerbrochen ist, hat sie es sich anders überlegt. Außer einem Feuer und vielen, vielen zerlumpten Decken hat sie nichts, um sich vor der Kälte zu schützen. Das undichte Haus heizt sich auch nicht auf, da aus allen Ecken der Wind hinein zieht. Er schleicht sich durch die selben undichten Stellen, durch die jeden Morgen auch der Nebel seinen Weg hinein findet. Jenna ist fast schon gezwungen ihre Abende und Nächte zusammengekauert vor dem Feuer zu verbringen. Krank wird sie so trotzdem schnell. Vorallem zu dieser Jahreszeit, vorallem wenn nicht nur die Kälte bis in die Knochen zieht, sondern Jenna auch noch von Nebel und Regen gequält wird. Aber krank sein ist sie gewohnt. Und auf der Straße heißt es "was dich nicht umbringt, macht dich stark".
Dort verbringt sie ihre Tage, auf der Straße. In diesem heruntergekommenen Stadtteil, in dem sich früher Industrieanlagen aneinander gereiht haben. Fabrikgebäude, die die Punkszene zu Wohnhäusern und Treffs umgebaut hat, locken weiterhin alle Waisen oder perspektivlosen Jugendliche der Stadt an. So kam auch Jenna hierher. Im Streit mit ihren Eltern konnte sie es sich nicht vorstellen, weiterhin im Haus ihrer Kindheit zu wohnen. Ihre Eltern sagten dieser Alex von nebenan sei kein guter Umgang für sie. Doch als 14-jährige war sie leicht zu locken mit dem Versprechen von jugendlicher Freiheit ohne Kontrolle der elterlichen Autorität. Und so folgte sie ihm, in den Stadtteil, der " von Jugendlichen regiert wird", in eine Hochburg der Armut, Verzweiflung und jugendlicher Drogenkultur, in ein Labyrinth aus Ruinen, zerfallenen Straßen und Sackgassen. Jenna lebt hier seit 3 Jahren, zwischen menschlichen Wracks und absoluten Fehlbeispielen, und betet, dass sie niemals der schlechte Umgang eines anderen Kindes wird. Sie erfährt nichts von der versprochenen "jugendlichen Freiheit", sondern nur den Zwang um das nackte Überleben zu kämpfen. Wer um Essen betteln muss hat keine Zeit für Schule, wer aus Pfützen trinkt oder sich mit Alkohol vor dem Verdursten rettet hat keine Zeit sich wieder aus diesem Leben rauszuwinden, und so lebt sie im Dreck und mit ständiger Kankheit.
Hinter sich hat Jenna ein Leben, aus dem sie etwas hätte machen können. Vor sich sieht sie Feuer, aber keine Perspektive mehr. Und nachdem sie 3 Jahre gebraucht hat, das zu erkennen, will sie niemand anderen hier hinein ziehen.

Freitag, 25. September 2015

Achter Tag - Komm hoch und fang mich, Teil 5

Hier oben fällt mir auf, wie die Welt dort unten eigentlich aussieht. Es ist eine Welt unter dem Himmel, der blaue Planet wird er ja auch genannt. Wir sind hier auf den Wolken, Wasser, wie dort unten im Meer, doch wir stehen über der Welt, im Himmel. Es ist eigentlich eine ganz einfache Sache, wie schaffe ich es nur den ganzen zweiten Tag, den ich schon hier oben bin, diesen Gedanken nach zu hängen. Ich fühle mich so schlecht, dass ich heute meine Kleine so unbeachtet gelassen habe, ich kann vor Schuldgefühlen keine Ruhe findet, als der Abend kommt und das Ende des Tages zeigte.
Ich muss das morgen unbedingt anders machen.
"Hey, Guten Morgen. Aufstehen Engelchen !",
"Was'n jetzt los ?", ich habe sie wohl abrupt aus ihrem schlafähnlichen Zustand gerissen, naja was solls ?
"Fangen ?! Eine neue Runde fangen spielen.",
"Papa ? So motiviert ?"
"Komm wir spielen fangen, zeig mir mal von hier oben die Welt.", und da nimmt sie mich an der Hand und wir fliegen los. Einmal um die Welt. Kreuz und quer, hin und her, bis ich alles gesehen hatte, was sie mir zeigen will. Und sie nannte mir die Namen der Orte, die sie mir zeigte, also die Namen, die sie diesen Orten gegeben hatte. Und sie sagte mir auch wie die ganzen Bäume, Früchte und Kräuter überall bei ihr heißen. Sie jagte mich durch Wälder, in denen zwischen den großen Bäumen massenhaft "rote Dododrenblumen" wachsen, ich glaube die Bäume heißen bei ihr "Eicheln" und die Eicheln heißen "Eichelnfrüchte", und ich versuche sie in den Bergen und Tälern des Himalayas zu fangen, kurz bevor sie mich über die Steppen voll mit Grasbüscheln, ja jeder Busch oder dürre Baum hieß einfach nur "Grasbüschel", Afrikas verfolgt. Und als dann abends hinter den Anden das Licht versieg und der dritte Tag endet, kehren wir zurück auf die Wolken und lachen über das Spiel des heutigen Tages. So ein simples Spiel und so wenig Mitspieler, doch so ein großes Spielfeld. Das kann man nicht verstehen, das muss man selbst gespielt haben.
Auch der vierte Tag wird ähnlich. Nur hier bin ich der überraschend geweckte. Ich wurde so überraschend geweckt, dass ich doch glatt wieder mit dem falschen Fuß aufgestanden bin. Apropos falscher Fuß, wie geht es dem Kater, meinem geliebten Katzenvieh ? Gibt es einen Katzenhimmel ? Meine Kleine weiß das auch nicht. Na der Tag hat ja wieder super angefangen. Wo ist mein Kaffee ? Achja richtig, Himmel. "Gibt es hier oben Kaffee ?",
"Die Mama hat immer gesagt, ich darf keinen Kaffee trinken, der wäre ungesund.",
"Er ist ja aber auch nicht für dich, sondern für mich."
"Achso. Nein.",
"Was nein ?",
"Nein, Kein Kaffe.", Mist, verdammt. Naja, dann halt so fangen spielen. Den ganzen Tag. Und wieder durch Wälder und über Berge und über Wiesen mit Kräutern und Wiesen ohne Kräuter. Bis wieder am Ende des Tages das Licht zum Spielen fehlt. Ein richtig schönes Schauspiel, wenn die Sonne vesinkt und die Sterne sich am Himmel zeigen. So habe ich weder Sonnenuntergang noch Sterne jemals beachtet oder besser gesagt bestaunt. Das Sternenlicht ist von oben, von den Wolken aus, wie Einschlafmusik, nur anders, aber das perfekte Bild um damit vor Augen sich zur Ruhe zu legen.
Ich habe es jetzt die letzten Tage geschafft die Schönheit der Welt auf eine Weise zu sehen, wie sie mir unbekannt war. Eine grüne Wiese passt nicht in einen Leberwurst- und Schnellimbissalltag. Wieso sind mir aber auf unseren Ausflügen nie die Tiere aufgefallen? Ich vermisse meinen Kater, aber nach 4 Tagen werde ich den wohl da unten auch nichtmehr sehen können. 
Sieh nicht hin, hatte ich mir gerade eben gesagt. Sieh einfach nicht hin. Am Morgen des fünften Tages stehe ich nun hier mit Tränen in den Augen und unfähig etwas zu sagen. Mein alter lieber Kater, so liegt er da, alle viere neben sich, nicht von sich weggestreckt, langsam verendet, verdurstet, ein schrecklicher Tod, vorallem aus den Augen des Tieres, zu merken wie man durstig wird, der Körper immer mehr nach Wasser schreit und auch der Schlaf den Durst nicht vergessen lässt, und immer zu sehen, dass die übliche Wasserstelle, die der Gott dieser Einzimmerwohnung, also ich, immer gefüllt hat, versiegt bleibt, und dann zu merken, dass der Gott fort ist, einen verlassen hat, und man langsam, langsamer als erwartet, sehen muss wie das eigene Leben sich diesem Gott anschließt, und einen ebenfalls verlässt, und man an Durst langsam im Schlaf verendet. Immerhin ist er eingeschlafen und sanft gestorben. Vielleicht war das für ihn nicht so schrecklich, vielleicht war ich für ihn kein Gott. Aber ihn dort liegen zu sehen, tot, lässt mich nichtnur an mir zweifeln. Ich bin jetzt den fünften Tag fort, ich habe nicht einen Gedanken an meinen Kater verschwendet. Muss ich mir etwa eingestehen, dass er mir egal war. Nein, das werde ich nicht tun, ich habe ihn nur vernachlässigt, ich hätte eh nichts für ihn tun können. So stehe ich hier und weine, ich hoffe es gibt einen Katzenhimmel. Mein armer Kater, ich bezweifel, dass Gott bei dem Anblick meines leblosen Körpers auch geweint hätte. Und nun stehe ich hier, an meinen eigenen Gedanken zweifelnden und mit von Tränen getrübten Augen auf meinen Kater herabblickend. Ich habe wohl genug an Tieren gesehen, ich muss kein lebendiges Getier im Wasser oder gefiederte Vögel und sonstiges Getier, das die Erde hervorbrachte, ein jedes nach seiner Art, mehr sehen. Ich bin fertig für heute, mein armer Kater. Und sie stand die ganze Zeit nur neben mir und hat mich mit großen Augen angeschaut, während ich weinte, ohne ein Wort zu sagen oder ungeduldig zu werden, sie hat nur ihren Vater weinen sehen.
Der sechste Tag bricht an, ich bin mehr froh die Sonne aufgehen zu sehen. Sie bringt heute besonders warmes Licht mit sich. 
"Hey Papa, heute ist so ein schöner Tag. Gehen wir an den Strand ? Ja ? Gehen wir an Strand ?", fragt sie mich noch während ich aufwache. Wie könnte ich bei ihrer euphorischen Art noch der Trauer von gestern nach hängen ? 
" Ja, natürlich gehen wir an den Strand". Und los gehts. Mittlerweile hab ich den Bogen echt raus, was das fliegen angeht. Wir lassen uns von den Wolken fallen und breiten die Flügel aus und segeln an dir Küste Kretas. Eine schöne Insel. Hier war ich häufig im Urlaub mit meiner Familie als ich noch ein Kind war. Wahnsinn wie sich das alles verändert hat.
"Und jetzt ? Schwimmen gehen oder Ball spielen mit den anderen ?",
"Schwimmen natürlich. Die Menschen sehen uns nicht, solange die Wolken nicht schlafen, wie sollen wir da Ball spielen ?"
Na gut, dann gehen wir halt schwimmen. schade eigentlich, ich hätte Lust gehabt ein paar Bälle zu werfen oder Beachvolleyball zu spielen. Aber wir toben in den Wellen und reiten auf ihnen, auch ohne Surfboard, wir haben Flügel, also Bitch please!, und wir werfen uns mit einem Kopfsprung voll hinein. Alles in allem ein schöner Tag. Wie damals im Urlaub, wo ich mich immer in die Wellen geworfen habe oder Sandburgen gebaut habe oder eben mit anderen Kindern in meinem Alter Ball gespielt habe. Es war zwar schön, doch waren wir halt nur zu zweit. Es wäre bestimmt schöner gewesen, hätten wir mit den anderen spielen können, besonders für die Kleine wäre es besser gewesen. Achja, die Menschen, nach dem Bilde Gottes geschaffen, die Menschen, die sich Kater als Haustiere halten, aber halt, nach einem Tag wie heute ist kein Platz für die Gedanken von gestern. Nach einem Tag wie heute brauch ich erstmal einen Tag Ruhe. 
Und als dem Abend die Nacht folgte um dann vom Morgen abgelöst zu werden, bricht auch schon mein siebter Tag im Himmel an. Ich glaube, heute mach ich frei. Einfach nur ausruhen, das hab ich mir verdient. Gott sei Dank, dass mir das noch in den Sinn kommt, zum Glück gibt es auch hier oben Kaffee, die Kleine hatte mich doch echt knallhart angelogen. Nichts könnte jetzt besser sein als ein guter Morgenkaffee und ein Leberwurstbrot, hach ich riech ja die Lebbeworscht so gern, ich könn mich nur von [...] meiner Lebberworscht ernährn. Und dazu ein paar kleine Gedankenspiele mit meiner Kleinen spielen, wie das Tiernamenspiel, man muss immer ein Tier sagen, dass als Anfangsbuchstaben den Endbuchstaben des vorherigen Tiers hat, wie zB "Ente", "Elefant", " Tiger", "Regenwurm", " Meerrettich " und da Meerrettich auch kein Instrument ist, hat sie gewonnen. Als wir dann fertig sind mit Frühstück und ich meinen, wie sie es nennt, "alte Menschen Mittagsschlaf" mache, geht sie weg mit anderen Engeln spielen. Ich mache es mir währenddessen einfach mal gemütlich. Die Flügel schön zur Seite weggefaltet, damit ich bequem auf dem Rücken liegen kann, ein wenig vor mich hin dösend. Gedanklich reflektiere ich die Woche, die ich im Himmel oder besser gesagt als Engel, verbracht habe und bleibe am fünften Tag hängen. Die Trauer packt mich wieder und bringt Selbstzweifel mit. Der Kater war mir nicht egal, ich war nur weg, und er ist gestorben und ich habe nicht an ihn gedacht, tagelang, bis er mir wieder in den Sinn kam.
Sie sagte Gott sei weg, Gott habe uns verlassen, und nach genauerem Überlegen, ich bin im Himmel, ohne Gott, und während ich lebte hat er auch nichts getan, nirgends. Vielleicht ist er nicht einfach nur weg und denkt nicht an uns, wohl eher sind wir ihm mittlerweile einfach egal. Vielleicht war Jesus nicht Gottes Sohn, weil Gott damals schon weg war, vielleicht war er nur ein Spinner. Auf jeden Fall, nach genauerem Überlegen, Gott ist tatsächlich weg, falls Gott jemals da war, vielleicht gibt es nichts Höheres, neben dem wir nur klein sind, und wenn es Gott tatsächlich gibt, und er einfach nur weg ist, dann sind wir neben ihm nur klein, völlig egal, unbedeutend, und nichtmal nach Tagen verschwendet er auch nur einen Gedanken an uns. 
Doch wenn es dieses Höheres nicht gibt, es nie einen Gott gab, dann sind wir nicht klein, dann sind wir einfach nur da, dann gibt es nichts neben dem wir klein sein könnten, dann sind wir aber deswegen nicht bedeutender, und ja, ich merke wie der Selbstzweifel aus mir spricht, so oder so sind wir unbedeutend, ich kann nur eines sagen : ich will ... . "Hey Papa!! Ich bin wieder da. Ausgeschlafen ?", 
" Hey Kleines! Na ? Spaß gehabt ?". Sie erzählte mir mit wem sie gespielt hat und was und wo und wie lange und wie gern sie mich dabei gehabt hätte und ich sage ihr, dass ich mich ausruhen musste und ich mich ausgeruht habe. Es wäre wohl sinnlos zu erklären, dass der siebte Tag der gesegnte Ruhetag ist. Aber ich sage ihr noch, dass ich jetzt ja fit genug bin um ab morgen wieder mitzuspielen.
Dann endet mit dem Abend der siebten Tag und während sie schläf, bin ich wieder von meinen Zweifeln geplagt. -
Und einen Anfang muss man wohl sterben, auch wenn der Spruch irgendwie anders geht, trotzdem gehe ich, begleitet von der aufgehenden Sonne, zu ihr hin, und obwohl sie so friedlich schläft und sie mein ein und alles ist, bestärkt mich das irgendwie in meinem Entschluss. Ich rüttel sie sanft an ihrer Schulter um sie zu wecken. Während sie aufwacht und noch während ihre Augen damit beschäftigt sind sich zu öffnen um sich von den ersten Sonnenstrahlen blenden zu lassen, sage ich ihr mit zitternder Stimme und einem versucht ausdruckslosen Gesicht : "Es tut mir Leid. Ich will kein Engel sein."

____
Ende

Samstag, 19. September 2015

Liebe ist blind

Ich denke, ich bin dumm, weil ich dir das hier schreibe. Aber mir ist egal, ob du älter bist. Mir ist es egal, denn nun bin ich durch diesen Tunnel gewandert und endete mit deiner Infektion. Ich fühle mich idiotisch und ansteckend. Doch ich werde da hingehen, wo der kalte Wind bläst, kann es kaum erwarten, dich dort zu sehen. 
Die Sonne ist schon verschwunden, aber ich habe trotzdem ein Licht. Komm einfach wie du bist, wie du warst, wie ich dich haben möchte, wie einen Freund, mehr als einen Freund. 
Ich werde deine offenen Wunden küssen, du bist mein Vitamin. Du kannst mich benutzen, vergewaltigen, mein Freund. Meine Seele ist billig und ich bin schon Wochen, Monate, Jahre in deiner herzförmigen Box gefangen. Mein eigenes Herz jedoch ist gebrochen, aber ich habe Kleber. Helfe mir, ihn zu inhalieren und es zu heilen. Ich weiß, dass es falsch ist, aber was soll ich tun? Ich mag es, ich werde nicht durchdrehen. Ich vermisse dich, ich werde nicht durchdrehen. 
Was zur Hölle versuche ich überhaupt zu sagen? Es ist jetzt Zeit, um es unklar zu stellen und Zeilen zu schreiben, die nicht einmal Sinn ergeben. Ich liebe dich, ich werde nicht durchdrehen. 
Wir müssen uns auch nicht fortpflanzen.Wir könnten uns ein Haus pflanzen. Wir könnten einen Baum bauen. Es ist mir ehal. Weniger ist mehr, Liebe ist blind. 

Wirkt vielleicht ein wenig durcheinander, ist es auch. Eine  meiner Deutschhausaufgaben,  lalala, mal sehen ob sie merkt, dass ich hier einfach reinschreibe,  die ich irgendwo rausgekramt habe. Ein Liebesbrief a lá Nirvana. 

Mittwoch, 9. September 2015

Der eierlegende Wollmilchweihnachtsmann

Es ist Mitte September und der Schokoweihnachtsmann im Supermarkt hat mich daran erinnert, dass es ja nurnoch knappe viereinhalb Monate sind, bis endlich wieder Schokoosterhasen die Regale füllen. Wie sehr freue ich mich schon auf die Zeit am Anfang des nächsten Jahres, wenn ich völlig durchfroren nach Hause komme und erstmal einen frühlingsfrischen Schokoosterhasen esse, denn schließlich ist es von Januar nurnoch ein Witz von ein paar Wochen bis endlich wieder Ostern ist. Und eine ähnliche Situation hat es zurzeit ja auch schon. Ich betrete, von sommerlichen 30°, total durchgeschwitzt und überhitzt den Einkaufsmarkt um mir ein wenig Süßkram zu kaufen und erfahre ein Gefühl verstanden zu werden. Bei der Hitze, die einen Ende August oder Anfang September noch quälen kann, ist kein Eis oder gekühltes Getränk kalt genug um einen ausreichend zu erfrischen. Gott sei Dank wird die Weihnachtsschokolade zu dieser Zeit schon verkauft und hilft einem auf mentaler Ebene die Hitze zu überleben, indem sie einen an das, im frostigen Winter kommende, Weihnachtsfest erinnert. Wozu so ein Schokoweihnachtsmann alles gut sein kann, im Sommer, wenn es noch ewig bis Weihnachten ist.
Genug von schlechter Ironie. Mal ehrlich, ohne Nachfrage gäbe es das Angebot des Schokoweihnachtsmanns nicht so früh... Aber wer zum F kauft Weihnachtsschokolade im Sommer, bei 30°, wenn es noch 4 Monate bis Weihnachten sind ?

Dienstag, 8. September 2015

Regentanz

Wieso steht er dort ? Es sieht aus als wäre er traurig, nur weint die Welt um ihn herum und nicht er selbst. Der Regen durchnässt seine Kleidung und einzelne Tropfen fallen an seiner Nasenspitze herab, die Kapuze schafft es schon lange nicht mehr die Haare trocken zu halten. Er ist durchnässt, bestimmt friert er und doch steht er dort wie eine Statue, den Witterungen ausgesetzt, ganz alleine auf der Straße, im Regen.
Er beobachtet sich selbst in der Pfütze, die sich langsam vor ihm gebildet hatte und ihm nun als Spiegel dient. Er beobachtet sich selbst, aus müden Augen heraus, die ihm, von dunklen Ringen betont, entgegenstarren. Die Tropfen laufen ihm über das Gesicht, nasse Bahnen hinter sich ziehend, und eine einzelne verlorene und nasse Haarsträhne klebt ihm auf der Stirn, in deren Falten sich Seen aus dem Regen bilden, Seen, die denen in seinen herabhängenden Mundwinkeln ähneln. Es ist genau das Bild, das ihm schon vor einer Stunde nicht gefallen hat und sich seitdem nicht mehr änderte. Es ist diese Person, die ihn so sehr anekelt, die ihm dort entgegenstarrt.
Das Bild wird zerrissen, als ein Regentropfen die Pfütze trifft und Wellen schlägt, es gibt nun kein Bild mehr, das ihm missfallen kann, nur die Wellen, die ein einzelner Regentropfen geschlagen hat und die sich immer weiter ausbreiten, den Rand des Spiegels erreichen und sich im Dreck der Straße verirren. Und so wie sich die Wellen verlaufen und die Hektik des Schlags verloren geht, so kehrt auch die Ruhe auf die Oberfläche der Pfütze zurück und ihm starrt wieder sein Spiegelbild entgegen. Die Seen, die in den Falten stehen, und die Tropfen, die nasse Bahnen hinter sich herziehen. Nur die Augen blicken ihn anders an. So kalt, so kalt, als wolle er die Pfütze zufrieren, in der Hoffnung sich nicht sehen zu müssen. Doch sonst haben sich die Augen nicht verändert, nur der, ihn verurteilende, Blick ist kälter geworden. Diese Kälte wird mit der von Verachtung erfüllten Häme in die Unkenntlichkeit verzerrt. Das Bild zeigt nichtmehr ihn, der sich dort selbst beobachtet, so durchnässt und einsam frierend im Regen.
Erneut wird das Bild zerstört, und der Platz der Verachtung seiner eigenen Person, die Entsetzen, über die Kälte in den Augen seinen Spiegelbilds, wich, wird nun von einem Gefühl der Erleichterung überschattet. Ein weiterer Tropfen traf auf die Oberfläche des Wassers und wieder breiten sich Wellen aus. Er beobachtet die Wellen ganz genau, wie und wohin sie sich ausbreiten, und obwohl sie von einem anderen Punkt ausgingen, verlaufen sie sich in den selben Gassen zwischen dem Dreck der Straße, bis sich die Wogen geglättet haben und die Pfütze wieder ruhig vor ihm steht. Und sein Blick verlässt die Gassen zwischen dem Dreck auf der Straße und sein Blick kehrt zu seinem Spiegelbild zurück. Ein Bild, das eine Stunde lang unverändert zu seinen Füßen lag und das ihm eine Stunde lang nicht gefallen hat und das sich nun alle paar Sekunden ändert. Die Kälte ist verschwunden und die dunklen Ringe unter den Augen strahlen nun nurnoch Müdigkeit und keine Verachtung mehr aus. Und diese Müdigkeit ist es, die ihm nun entgegenschlägt, die er selbst, dort im Regen stehend, gar nicht spürt, und die es ihm verwehrt von seinem eigenen Spiegelbild angeschaut zu werden. Wie friedlich sich das Bild dort in der Pfütze abzeichnet. Er beobachtet sich selbst und weiß, dass er nicht beobachtet wird. Sein Spiegelbild steht dort vor ihm in der Pfütze liegend mit geschlossenen Augen und ohne jegliche Spannung im Gesicht. Die Seen aus den Falten der Stirn laufen in Flüssen sein Gesicht hinab, auf Wegen, die sonst nur von Tränen genommen werden, und reißen die Seen aus den, nun nichtmehr herabhängenden, Mundwinkeln mit sich. Es ist ein Bild, das ihm nicht ganz missfällt, es zeigt diese Person in den Momenten, in denen er sich nicht vor ihr ekeln muss.
Obwohl ihm dieses Bild sogar gefallen könnte, schockt es ihn zutiefst. Er hat in wenigen Sekunden zu viel gesehen und zu viel gefühlt. Er sah, wie er sich selbst mit Kälte und Verachtung strafte und sah sich selbst in einem seiner harmlosesten Momente, er fühlte die Verachtung noch während ihn Entsetzen überkam und er spürte ihr Echo als er sich erleichtert anschauen konnte. Es ist diese Überflutung an Reizen, an Gefühlen, die er nicht gewohnt war. Eine Stunde stand er im Regen, durchnässt, sah sein Spiegelbild und spürte die Verachtung. Er spürte sie eine ganze Stunde lang, konnte sich daran gewöhnen und seinen Frieden mit dem Gefühl der Verachtung machen. Bis Entsetzen und Erleichterung kamen und den Wiederhall der Verachtung mit sich trugen. Der Frieden ist nur eine Illusion und sein schlafendes Spiegelbild war irreal. Das ist zu viel für ihn. Er ist durchnässt, er friert und seine Emotionen laufen Amok. Nun weint nicht nur die Welt um ihn herum, nun weint er mit ihr. Und die Tränen folgen den Wegen, die im Spiegel den Flüssen als Pfad dienten, und es tropft nun nichtmehr der Regen von seinem Kinn und seiner Nase, nun tropfen Tränen von dort. Er beobachtet nicht sein Abbild im Wasser, er schaut sich nicht den Dreck auf der Straße an. Seine Augen folgen der einen Träne, die am meisten des Schmerzes seiner inneren Zerissenheit in sich trägt. Und diese Träne weicht ab von den Wegen, folgt nicht dem knöcheren Pfad zum Abgrund hinter der Nasenspitze und folgt nicht dem Strom zum Kinn. Sie bahnt sich ihren Weg bis an die Klippe der Lippe, die so blau und matt schon seit Tagen kein Lächeln mehr vollbrachten, und stürzt sich von dort in die Tiefe. Es scheint fast, als könne er den sterbenden Aufschrei der Erleichterung aus der fallenden Träne hören, und als die Träne auf die Wasseroberfläche trifft und wie die Regentropfen zuvor das Spiegelbild in der Pfütze zerreißt, spürt er, dass die Verachtung ihre Vormacht zurückgewinnt, ihn übermannt und, kurz nachdem die friedliche Darstellung dieser Person in den Wellen ertrank, auch eben jenes Bild aus der Erinnerung verdrängt.
Seit über einer Stunde steht er im Regen, unbewegt, durchnässt und frierend, mit einer Pfütze vor seinen Füßen und glich einer Statue, bis er anfing zu weinen. Seine Tränen vereinen sich mit dem Regen um ihn herum und sind Zeuge dessen, was er in der letzten Stunde durchlebte. Der Regen wird stärker und in der Pfütze wird sich nun kein Spiegelbild mehr zeigen können, zerbrochen ist die Oberfläche und Wellen folgen Wellen folgen Wellen. Es ist unmöglich etwas anderes als Wasser und Dreck in der Pfütze zu erkennen und doch sieht er sein Abbild ganz genau. Ein Abbild, das ihn kurz zum Lächeln bringt. Er lächelt, weil er jetzt in der Pfütze einen Spiegel gefunden hat, der ihm nicht zeigt wie er aussieht, sondern wie er ist. Die blauen matten Lippen tragen ein Lächeln und der Regen versteckt die Trauer der Tränen, die über diese Lippen laufen, Trauer, weil das Lächeln nicht die Erfüllung des Wunschtraums von Freude bezeugt, sondern nur stumpfe Einsicht. Weinend und lächelnd schaut er hinab in den Spiegel. Er sieht dieses Abbild, das ehrlich ist, das ihm deswegen sogar gefällt. Ein Abbild von einer Person, die ihn so sehr anekelt, einer Person, deren Innerstes dem Chaos, der sich gegenseitig brechenden Wellen, gleicht und die sich im Dreck auf der Straße wiedererkennt.

Montag, 7. September 2015

Ein Gedanke zu viel

Seine Schritte führten ihn durch die Menschenmengen auf den Straßen. Er schien einfach ein Teil zu sein. Ein unbeachteter Teil der Mengen, seinen eigenen Gedanken nachhängend, Student. In einer Studentenstadt. Nichts ungewöhnliches.
Doch wenn der Rest es nur wüsste. Wenn er wüsste, dass die Sorgenfalten auf der blässlichen Stirn nicht von dem Druck auf der Uni oder Beziehungstress rührten. Womöglich würden sie ihn noch mehr verachten als er sich selbst.
Vor seinem inneren Auge führte er sich die Blicke vor, die sie ihm zuwerfen würden.  Voller Ekel und Hass. Kein Verständnis oder Mitleid würde darin zu finden sein. Warum auch? Er selbst konnte es nicht nachvollziehen, kannte sich selbst nicht mehr. Warum ausgerechnet er? Konnte er nicht einfach sein Studentendasein normal weiterführen, wie jeder andere auch? Warum musste er das Monster sein, die Gefahr, die tickende Zeitbombe?
Fast wie eine Antwort erklang das Kinderlachen zu seiner Rechten. Erstmals hob er den Blick, welcher sofort auf den kleinen, gut besuchten Spielplatz fiel. Ein nahezu sehnsüchtiges Lächeln huschte über seine Lippen. Er spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte, während sein Blick dem Mädchen folgte, das auf der Schaukel saß. Auf und ab, auf und ab. Wieder stieg das bekannte und doch so fremde Gefühl in ihm auf. Tiefe Zuneigung, Verlangen, Erregung. Er blieb stehen und hasste sich sofort wieder dafür, als ihm eine hübsche, junge Frau mit Kinderwagen zulächelte.
Diese Freundlichkeit wurde nie von ihm erwiedert. Er verließ seinen Standort fluchtartig, als wäre er bei etwas Verbotenem ertappt worden. Er wollte nicht in Versuchung kommen, niemals, sich nicht noch mehr hassen müssen, als es ohnehin schon der Fall war.
Die Flucht vor sich selbst würde endlos sein, kräftezehrend. Seine Schritte wurden immer schneller,  seine Füße fanden wie von selbst den Weg zu seiner Wohnung, dem einzigen Fluchtort, der ihm jetzt noch blieb.
Erst das Klimpern seiner eigenen Schlüssel, die er aus der Hosentasche zog, brachte ihn zurück in die Wirklichkeit. Er starrte die Glastür zum Treppenflur einige Sekunden an, bevor er sie aufschloss.
Normalerweise hätte er den Aufzug genommen, aber er wusste, dass er die Stille nicht ertragen konnte, die Spiegel, in denen er sich dort sehen würde. Jetzt waren es seine Schritte, auf die er sich zu konzentrieren versuchte, die durch den Flur hallten. Seine Gedanken schweiften dennoch zum Spielplatz, zu dem Kinderlachen, an der lächelnden Frau vorbei zu dem rothaarigen Mädchen in ihrem Kinderwagen, die versunken in einem Tagtraum schien, während sie an dem ausgefransten Ohr ihres Teddys knabberte. So naiv, so unschuldig. Er lachte unkontrolliert auf und legte eine zitternde Hand auf die Türklinke, nachdem er seine Wohnung aufgeschlossen hatte. Reingehen. Ruhe. Unerträgliche Ruhe. Er zog nicht einmal Schuhe und Jacke aus, ging bloß quer durch den Raum in sein Schlafzimmer, zur Stereo-Anlage. Musik würde die Ruhe und seine Gedanken übertönen.
Doch auch die Musik ließ ihn im Stich. Nicht nach fünf Minuten scherte sie ihm Frieden, nicht nach zehn und auch nicht nach einer halben Stunde. Und selbst als er eingeschlafen war, ließen seine Qualen nicht nach. Träume, zu schrecklich und verwirrend, um sie beschreiben zu können. Schweißgebadet und schwer atmend erwachte er. Der Mond und die Straßenlaternen warfen spärliches, kaltes Licht in sein kahles Zimmer. Ganz langsam richtete er sich auf, versuchte das Traum-Echo des Babyschreiens aus seinem schmerzenden Kopf zu verbannen. Schuhe ausziehen. Seine Bewegungen waren wie mechanisch, trotz seinem unkontrollierten Zittern. In den grauen Augen war nun ein Flackern zu sehen, das sich schon lange nicht mehr gezeigt hatte. Hoffnung. Jetzt stand für ihn fest, wie er es beenden wollte. Es würde besser so sein. Für alle. Für ihn, seine Familie, seine Freunde, seine Kollegen. Und für die Kinder. Er würde etwas für die Gesellschaft tun, da war er sich sicher. Die Gesellschaft, in die er nie mehr einen Fuß setzen konnte, aus Scham und Angst. Seine letzten Schritte führten in sein Badezimmer. Langsam und bedächtig.
Er schloss die Tür hinter sich. 

Vier Tage später wurde der 26-Jährige Student Simon Eckert tot in seiner Badewanne gefunden. Niemand wusste, warum. Einzig seine Mitstudenten und Lehrer sagten aus, er sei schon seit längerem nicht mehr bei sich gewesen, seine Leistungen hätten nachgelassen und bestätigten damit den Verdacht auf einen Selbstmord.

Dienstag, 1. September 2015

Bereit zu gehen

Er will nur weg von hier. Weit, weit weg. Am liebsten fliegen, weg fliegen, einfach abheben und fliegen. Egal wo hin, vielleicht hinauf, hinauf zum Schloss, oder zu den Wasserfällen am Ende der Welt, und diese hinab, ein Sturzflug ins Ungewisse, nicht wissend was er dort finden wird, oder einfach nur über das offene Meer, und dort Kreise drehend den Leviathan beobachten, wie er in den Tiefen des Ozeans die Welt umschlingt, oder vielleicht zieht es ihn auch einfach in die Weite der Welt, in die Einsamkeit der Steppen oder dunklen Wäldern auf der Suche nach der blauen Blume, dem alten Ziel. 
Wenn er losfliegt, weiß er nicht wo er landen wird oder ob er landen wird. Vielleicht wird er mit den Schwalben nach Süden fliegen und im Winter mit ihnen zurückkehren.
Würde man ihn fragen, dann wüsste er keine Antwort. Außer, dass er weg von hier will. Er
ist gelangweilt von seinem Leben und spürt den Drang die Welt zu sehen und wie der Eifer Neugier die Gewohnheit verdrängt. Weit, weit weg. Immer sagt er, es gäbe so viel zu sehen und er habe zu wenig gesehen, um zu gehen. 
Er habe sehr viel gesprochen  und viel gehört, zugehört habe er weniger, und er habe viel gegessen, kenne viele Geschmäcker, habe viel gerochen und viel geraucht, zudem habe er viel gefühlt, sowohl mit den Händen als auch mit dem Herzen. Immer sagt er, alle seine Sinne wären satt, alle seine Sinne würden ihm sagen er sei bereit zu gehen, außer einer. Einer seiner Sinne ist nicht satt. Immer sagt er, er habe zu wenig gesehen, und dieser Sinn würde ihm nicht raten zu gehen, er würde ihm raten, weg zu gehen. Und er will nur weg von hier. Weit, weit weg. Am liebsten fliegen.