Montag, 8. Februar 2016

Ouroboros - Der Traum hinein

Was anfängt wie ein normaler Tag, sollte für sie auch wie ein normaler Tag enden.
Das Gleiche gilt für die Nacht
Sie steht vor der Morgendämmerung auf und geht nach der Abenddämmerung wieder schlafen.
Normalerweise.
Am Tag träumt sie in der Sonne, in der Nacht träumt sie von der Sonne.
Wenn die Sonne aufgeht, dann sollte sie auch wieder unter gehen. Sie sollte dann schlafen gehen.
Und ihre Träume sollten sie nicht gefangen nehmen. Normalerweise.
Wenn sie in ein Labyrinth hineingeht, sollte sie auch wieder  hinausfinden.

Doch in ihrem Traum von der Sonne wird es Nacht. Und langsam, ganz langsam, friert sie im kalten Licht des Mondes. 
Doch es ist immernoch ihr Traum und wenn sie nicht von der Sonne träumen kann, so will sie trotzdem nicht von der Nacht träumen und flieht durch Wände und Barrieren immer tief in sich hinein.
Sie zittert im Schlaf, doch in ihrer Wahrnehmung ist ihr nichtmehr kalt. 
Da ist sie in einem runden Raum, der sich langsam zu drehen scheint, mit scheinbar glatten Wänden, mit einfarbiger Mosaikoberfläche. Dieser Raum kommt ihr ganz und gar nicht bekannt vor, wie sollte sie ihn auch erkennen können im schwachen glimmenden Licht. 
An den Wänden erkennt sie keine Muster, kein Bild im Mosaik, als sie an ihnen vorbei geht. Nur mit den Händen erkennt sie, dass die Wand nachgibt, wenn man dagegen drückt. 
Vielleicht findet sich ja ein Gang aus diesem Raum raus. Und als sie diesen Gang findet, wäre sie trotzdem fast daran vorbei gelaufen. Die Wände im selben unveränderten Muster und das schwache Licht legt ihr einen geisterhaften riesigen Schatten ihrer selbst in den Gang hinein.
"Komm herein !", hört sie es aus dem Gang heraus flüstern. Ihr Schatten ?
"Wir sind allein", ein reimender Schatten, eine wispernde Stimme, die sie zu locken scheint.
"Niemand sonst wird bei dir sein.
Vertraue dir", einduetig ihr Schatten. Also sie selbst. Oder nur ihre Stimme, aus diesem Gang, aus der Dunkelheit.
"Komm zu mir !", und das klang mehr wie ein Befehl. Geflüstert, aber in einem Tonfall, der keinen Widerspruch zu lässt.
'Na gut, ich bleibe nicht länger hier', der Gang wird schon besser sein, als der runde Raum.
'Na dann, Viel Glück', ein Gedanke, der ihr die Angst vor der Dunkelheit nehmen soll. Nicht umsonst träumt sie sonst von der Sonne.
"Der Gang führt nur zum Raum zurück", jetzt reimt ihr Schatten auch noch auf ihre Gedanken. Und was soll das heißen ?
"Hallo ? Ist da jemand ?", fragt sie mutig und laut in den Gang hinein, nachdem sie schon ihren ersten Schritt in diesen gesetzt hatte. Als nur ein Lachen als Antwort kommt, bleibt sie abrupt stehen.
"1", sie reißt sich zusammen und traut sich einen weiteren Schritt hinein.
"2", antwortet ihr die Dunkelheit. Ein kalter Schauer läuft ihr über den Rücken.
"3", ihre Stimme ist zittrig und schwach, sodass sie sich selbst fats nicht gehört hätte, hätte sie nicht eh gewusst, was sie sagen wollte. Und doch schafft sie einen weiteren Schritt in den Gang hinein.
Der Gang scheint sich auch zu bewegen, so wie sich der Raum gedreht hat. Es scheint als gleiten die Wände weg von dem Raum.
Schweigen wagt sie sich noch ein Stück tiefer. Und ihr fällt auf, wie das schwach glimmende Licht immer schwächer wird und die Stille, die im runden Raum noch fast erdrückend war, langsam dem Geräusch ihres Atmens weicht. Und dem Geräusch von Atmung, die nicht zu ihrem Rythmus passt. Und dem Geräusch von Schritten.
"Hallo ?", eine leise und zittrige Frage. Eine Antwort erwartet sie gar nicht, eine gereimte Antwort schon doppelt nicht.
Sie ist mittlerweile weit genug gegangen, an einen ort im Gang, an dem das Licht aus dem Raum nichtmehr stark genug ist einen Schatten vor ihr zu werfen.
So ist es jetzt zwar immernoch ihre Stimme, aber nichtmehr ihr Schatten, sondern nur die tiefe Dunkelheit die ihr zuflüstert.
"Wir sind allein.", sie weiß noch, wie die Reime darauf lauteten.
"Komm zu mir,
vertraue dir", und nun macht es auch Sinn ihr selbst zu vertrauen. Sie hat die ganze Zeit in sich selbst vertraut, als sie sich wagte Schritt für Schritt in den Gang hinein zu gehen, als sie sich traute ihre Stimme zu erheben. Doch war es nicht so gemeint, und das versteht sie jetzt.
Denn sie kann sich jetzt nichtmehr selbst vertrauen als sie ihren Augen kaum glauben kann, dass sie, also nicht sie selbst, aber ein Mädchen, das aussieht wie sie und ihre Stimme hat, aus der Dunkelheit auf sie zu läuft.
Daher das Geräusch der Schritte und daher die Atmung.
Und je näher ihr das Mädchen, sie selbst, kommt, umso stärker wird das beklemmende der Nacht.
Es ist ihr Schatten, der vor ihr steht, in diesem, sich bewegenden, Gang, der weg führt von dem runden, sich drehenden Raum.
Ganz neben sich, verständnislos und verängstigt, und ohne Kontrolle über das was sie sagt, als würde es ihr eingeflüstert werden, dringt ihr ein leises Wispers von den Lippen : 
"Wir sind allein."
Der Schatten steht lächelnd vor ihr. So freundlich, als müsste sie keine Angst haben.
"Vertraust du mir ?", fragt ihr Schattenbild, als es aufhört zu lächeln.
 


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