Montag, 12. Oktober 2015

Der Moment der Explosion

Sie hat heute frei gemacht, obwohl sie momentan nicht einmal mehr ungern in die Schule geht. Vielleicht war das Wochenende ein wenig zu anstrengend, aber trotzdem schön, und einen Tag konnte man sich ja mal leisten. 
Sie beschließt, diesen zu nutzen, um das Bad sauber zu machen, die Küche und vielleicht auch ihr Zimmer. Während sie sich als allererstes dem Bad zuwendet, überlegt sie, was sie heute sonst noch alles tun kann, ist gut gelaunt, obwohl es ihr am gestrigen Abend noch so schlecht ging. Die Putzaktion dauert länger als erwartet. Mehr als zwei Stunden bemüht sie sich, die sanitären Einrichtungen in ihrem Elternhaus zu säubern, vielleicht kann sie damit ihrer gestressten Mutter eine Freude machen. 
Doch diese kommt schneller zurück als erwartet, das Bad ist zwar fertig, nur alles andere eben nicht. Und noch dazu ist die gerade von der Arbeit Kommende gestresst, sie wird kaum Pausen heute haben und sich auch noch mit der pubertierenden kleinen Schwester und Mathe herumschlagen müssen. Natürlich verdeutlicht sie all dies der großen Schwester, ohne sich überhaupt Mühe zu geben, nicht genervt zu klingen. Außerdem sähe alles so schrecklich unordentlich aus. Natürlich weiß sie nicht, dass ihre Tochter gerade eben noch das Bad geputzt hat. Beide sind genervt und die Tochter kennt das von ihrer Mutter. Sie kennt diese Seite von ihr, die jeden Moment ausbrechen kann, wegen nur einer Kleinigkeit passiert. In der Luft kann man die angespannte Stimmung förmlich greifen. Aber sie nimmt keine Rücksicht darauf. Sie selbst ist gereizt durch die so schnell getrübte gute Laune und keift zurück. Der Moment der Explosion.
"ICH KLATSCH' DIR GLEICH EINE, WENN DU WEITER SO FRECH BIST!"
Das Schreien der Mutter hallt laut durch die Küche und wie ein Echo durch den Kopf ihrer eigenen Tochter. Diese guckt sie verdutzt an, vielleicht nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann geht sie einen Schritt auf ihre Mutter zu und entschärft die Situation, obwohl das wahrscheinlich nicht einmal ihre Absicht ist.
"Dann mach doch, schlag mich einfach! SCHLAG MICH!", ist ihre Antwort und wahrscheinlich steckt so viel Ehrlichkeit in ihr, dass die Mutter sich zurücknimmt. Sie widersteht dem Drang, den sie noch vor ein paar Sekunden hatte und lässt die Hand sinken. Obwohl sie diesem schon einmal freien Lauf gelassen hat, wobei die jüngere der beiden Schwestern daran glauben musste.
Der Moment zieht vorbei, während beide sich einfach nur stumm in die Augen blicken und tief in ihrem inneren wissen, was in dem Kopf des anderen gerade vorgehen muss.


2 Kommentare:

  1. uff, diese innere Verzweiflung ist da sehr gut beschrieben, sowie dieser Aspekt des Gestressten und sowieso ist die Geschichte echt authentisch. GJ

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